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Ein Overheadfolien-Modell rund um die Venus

Erfahrungen mit Astronomie-Arbeitsgemeinschaften in den Klassen 5 bis 10 haben gezeigt, wie schwierig es für die Schüler oft ist, sich die Bewegungen der Planeten vorzustellen und diese mit den am Himmel beobachteten Erscheinungen in Verbindung zu bringen. Das hier beschriebene Modell wurde mit einer Unterstufen-AG erarbeitet.

1. Einleitung

Der Planet Venus wurde für dieses Modell ausgewählt, da viele Phänomene an ihm besonders auffällig sind. Abwechselnd als Morgen- oder Abendstern sichtbar gibt er oft Anlaß zu Fragen. Weiterhin zeigt er ausgeprägte Phasen, die bereits in sehr kleinen Fernrohren beobachtbar sind.

Folgendes Material ist zur Erstellung des Modells notwendig:

  • 5 Overheadfolien
  • 2 verschiedenfarbige Folienschreiber
  • 2 Druckknöpfe

Weiterhin wird ein Geodreieck und ein Zirkel benötigt, an dem ein Folienschreiber befestigt werden kann. Ersatzweise läßt sich auch ein Zirkel mit Spitze verwenden, die Kreise erscheinen dann in der Projektion schwarz.

2. Die erste Grundfolie

Die Bahnen von Erde und Venus um die Sonne werden vereinfacht als Kreise dargestellt. Ein guter Maßstab ergibt sich mit 10 cm Erdbahnradius, entsprechnend einer Astronomischen Einheit (AE), und 7,2 cm Venusbahnradius (0,72 AE). Nun wird die Erdbahn in zwölf gleiche Teile zu je 30 Grad aufgeteilt, wobei Segmente mit der mittleren Monatslänge von 30,4 Tagen entstehen. Aus der siderischen Umlaufdauer der Venus (relativ zum Sternenhintergrund 224,7 Tage) läßt sich der Winkel berechnen, um den sich die Venus in diesen 30,4 Tagen weiterbewegt:

$$ {224,7 \enspace \text{Tage} \over 360°} = {30,4 \enspace \text{Tage} \over x} \quad \Rightarrow \quad x = 48,7°$$

Je nach Altersstufe und mathematischen Fähigkeiten der Schüler wird der Winkel vorgegeben oder von diesen selbst erarbeitet. Auf der Venusbahn werden nun 20 Segmente mit diesem Winkel markiert, beginnend mit einer unteren Konjunktion (Ziffer 1, s. Abbildung 1).

Aus zwei weiteren Folien werden Drehscheiben für Erde und Venus ausgeschnitten, wobei der Radius mindestens einen halben cm größer als der jeweilige Bahnradius gewählt wird. Trick: verwendet man zum Anzeichnen einen wasserlöslichen Stift, können Linienreste nach dem Ausschneiden leicht weggewischt werden. Um nun die Folien drehbar aufeinander zu befestigen, findet ein nicht zu großer Druckknopf Verwendung. Die Zirkellöcher lassen sich mit Hilfe eines erhitzten Nagels gut auf die benötigte Größe erweitern. Der Druckknopf verbindet nun Grundfolie, Erd- und Venusscheibe. Auf die jeweilige Bahn wird der dazugehörige Planet als kleiner Kreis gezeichnet.

3. Jetzt darf gedreht werden!

Mit etwas Übung gelingt es, die beiden Planeten gleichzeitig um jeweils ein Segment weiterzudrehen. So lassen sich sowohl die Bewegung um die Sonne als auch die relative Bewegung von Erde und Venus zueinander veranschaulichen. Die synodische Umlaufdauer, d.h. die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden gleichen Planetenkonstellationen, läßt sich mit dem Modell "erdrehen", wenn mit einer unteren Konjunktion (Stellung 1 auf der Folie) begonnen wird. Dabei erhält man Werte zwischen 570 und 600 Tagen: dazu müssen lediglich die Segmente auf der Venusbahn gezählt und mit 30,4 Tagen multipliziert werden. Kommt man z.B. auf 600 Tage, beträgt der relative Fehler zur wahren synodischen Umlaufdauer von 584 Tagen nur 2,7%!

Um weitere Phänomene zu erklären, reicht es aus, ein Modell zu benutzen, bei dem die Erde feststeht. Bei vielen Erscheinungen kommt es ja nur auf die Relativbewegung der beiden Planeten an. Dies muß den Schülern auf jeden Fall anhand des ersten Modells plausibel gemacht werden.

4. Die zweite Grundfolie

Auf einer weiteren Folie werden im gleichen Maßstab wiederum Venus- und Erdbahn eingezeichnet (ohne Winkeleinteilungen) und auf letzterer eine Position für die Erde festgelegt - zweckmäßigerweise am unteren Rand der Folie. Sonnen- und Erdposition werden mit Löchern für Druckknöpfe versehen. Die Venus-Scheibe kann aus dem ersten Modell übernommen werden. Aus der fünften Folie schneidet man aus (Abbildung 2): einen Horizontstreifen, einen Entfernungsmeßstreifen, zwei einfache Zeiger und einen Streifen mit einer ca. 1,5 cm großen und halb beleuchteten Venusscheibe. Alle Streifen sind an entsprechender Stelle mit einem Loch für den Druckknopf zu versehen.

5. Sichtbarkeiten und Aspekte

Um die Sichtbarkeitsverhältnisse zu zeigen, knöpft man zunächst die Venusscheibe auf die Sonne und dann den Horizont auf die Erde. Stellt man die Venus auf eine beliebige Position und dreht den Horizont gegen den Uhrzeigersinn, kann man Auf- und Untergang beider Gestirne anhand des Horizonts beobachten. Steht die Venus auf der rechten Kreishälfte, so erscheint sie vor der Sonne über dem Horizont und ist Morgenstern; auf der linken Kreishälfte geht zunächst die Sonne unter, während Venus noch als Abendstern über dem Horizont steht. In oberer und unterer Konjunktion gehen beide Gestirne gleichzeitig auf und unter, so daß die Venus unbeobachtbar bleibt. Steht der Horizont auf Mitternachts- Stellung, wird auch deutlich, daß der Planet nie mitten in der Nacht sichtbar sein kann.

In diesem Zusammenhang stellen Schüler oft die Frage: "Wann ist die Venus am besten zu beobachten?" Dies ist der Fall, wenn der Winkelabstand zwischen Venus und Sonne am größten ist (maximale Elongation). Die Veränderung des Winkelabstandes kann man veranschaulichen, indem der Horizont durch die beiden Zeiger ersetzt wird, von denen einer zur Sonne, der andere zur Venus zeigt. Mit dem Geodreieck lassen sich die Winkel recht genau ausmessen. Die Schüler kommen auf 45° bis 47° für den maximalen Winkelabstand, was dem errechneten Wert von arcsin[(rV)/( rE)] = 46,3° gut entspricht.

6. Phasen und scheinbare Größe

Beobachtet man die Venus durch ein Fernrohr, so erscheint sie nicht als runde Venusscheibe, sondern zeigt Phasen wie der Mond. Deren Zustandekommen läßt sich mit Hilfe der halb beleuchteten Venus, die auf die Sonne geknöpft wird, zeigen. Natürlich paßt der Scheibchendurchmesser in keinster Weise zum Entfernungsmaßstab! Legt man nun die beiden einfachen Zeiger tangential von der Erde an die Venusränder, markieren diese den sichtbaren Anteil des Scheibchens.

Bei der Besprechung der Neuvenusphase fragen Schüler mitunter, ob die Venus eine Sonnenfinsternis erzeugen kann. Liegen bereits Trigonometriekenntnisse vor, ist es eine reizvolle Aufgabe, die Schüler berechnen zu lassen, welchen Durchmesser die Venus haben müßte, damit sie den scheinbaren Sonnendurchmesser von 0,5 Grad abdecken würde. Ist dies nicht der Fall, gibt man den Neuvenus-Scheibchendurchmesser von einer Bogenminute vor. In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, daß es aufgrund der Bahnneigung nur sehr selten zu Venusdurchgängen kommt (nur vier mal in 243 Jahren, die nächsten am 8.9.2004 und am 5.6.2012).

Im Fernrohr erscheint die Venussichel nahe Neuvenus deutlich größer als die fast volle Venus. Auch dieses Phänomen erklärt das Modell sehr anschaulich. Mit dem an der Erde befestigten Entfernungsmeßstreifen erkennt man den großen Unterschied zwischen oberer und unterer Konjunktionsentfernung. Legt man die Zeiger wieder tangential an die Venusränder, wird auch der unterschiedliche Winkeldurchmesser von Voll- und Neuvenus augenfällig. Einfaches Teilen der beiden abgelesenen Winkel durcheinander liefert eine grobe Abschätzung des Verhältnisses von etwa 1:7; der wahre Wert liegt bei 1:6,8.

7. Ausblick

Mit Hilfe der beschriebenen Folien sind auch weitere Versuche denkbar. Mit Grundfolie 1, den Planetendrehscheiben und einem verlängerten Zeiger lassen sich etwa die Planetenschleifen darstellen. Ersetzt man die Venus- durch eine Merkurscheibe, wird deutlich, daß die gleichen Phänomene auch bei diesem Planeten auftreten. Sie sind allerdings nicht so ausgeprägt zu beobachten. Auch ein Marszeiger wäre denkbar, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von oberen und unteren Planeten zu erarbeiten.

In Arbeitsgemeinschaften oder im Wahlpflichtunterricht sollte man die Schüler unbedingt eigene Modelle basteln lassen. Die Erfahrung zeigt, daß sie viel Spaß daran haben, die Phänomene selbst herauszufinden. Bei Schülermodellen, die ja nicht auf den Overheadprojektor gelegt werden müssen, sollten die Grundfolien 1 und 2 aus heller Pappe hergestellt werden.

Für Arbeitsgemeinschaften ist es eine interessante Aufgabe, aus der beobachteten Phase die Entfernung der Venus zu ermitteln. Eine Anleitung dazu findet man in [1].

Sicherlich lassen sich noch weitere Phänomene finden, die ebenfalls anhand des Modells veranschaulicht werden können. Für weitere Anregungen sind wir jederzeit dankbar!

Literatur

[1] Schlosser, W, Schmidt-Kaler, Th, Astronomische Musterversuche Sek II, Hirschgraben-Verlag, 1982 Versionen zum Ausdrucken

PDF-Version

Folien (leider ist nur eine Kopie des Korrekturabzugs erhalten)